
Sie war keine «Studierte», sondern bezeichnete sich im Gegenteil immer wieder als «einfache Hausfrau». Während der Holocaust auf seinen grausamen Höhepunkt zu eilte, kämpfte Gertrud Kurz für
eine humanere Flüchtlingspolitik der Schweiz. Im August 1942 erhielt sie Zugang zum Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeiministeriums, Eduard von Steiger. Schon in den Jahren zuvor
hatte sie sich unermüdlich für die jüdischen und sozialistischen Geflüchteten aus dem Machtbereich des Nationalsozialismus eingesetzt. Nun tat sie es an oberster Stelle. Und hatte Erfolg.
Die Landesgrenze, an der auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs laut Bergier-Bericht rund 24'000 Flüchtlinge abgewiesen wurden, wurde für diese wenn schon nicht ganz, so doch wenigstens
teilweise geöffnet. Zuvor fand eine Verschärfung der Asylgesetze der Schweiz statt – im Wissen der Behörden um den industriellen Massenmord an den Juden. Dennoch konnten in der gesamten
Kriegszeit 21'304 Geflüchtete aufgenommen werden.
Als mutig und uneigennützig und als beharrlich und unerschrocken bezeichnet sie die Geschichtsschreibung. Was Gertrud Kurz tat, tat sie nicht von Amtes wegen, auf Geheiss einer Dienststelle
oder eines Vereins, sondern aus persönlicher Überzeugung wie auch aus religiösen Beweggründen.
Tagblatt Online, 26. März 2011